Warum der Zombie den Cyborg verfolgt 
- Transhumanismus, Rassismus und Sylvia Wynter @re:publica 2018 #rp18

Mein erster Versuch meine Englischen Vorträge auch mal ins Deutsche zu übersetzen...

Ich war wieder auf der re:publica um dieses Jahr einen Vortrag über Transhumanismus, die Singularität und die öffentliche Wahrnehmung von Künstlicher Inteligenz zu halten. Selbstverständlich habe ich auch dieses Mal mein Thema aus einer kritischen, utopischen Perspektive beleuchtet und das übersetzte Transkript, die Slides, Fußnoten sowie weiterführendes Lesematerial findet ihr unter dem Video.
(English Transcript)

Was wenn der Cyborg und der Zombie, zwei Seiten eines gewaltigen Problems verkörpern, vor dem die Menschheit gerade steht?

Ein Problem, das so groß ist, dass wir als Weltgemeinschaft es versuchen zu verdrängen, genauso wie die Klimakatastrophe oder all die anderen Katastrophen, die uns bevorstehen. Denn dieses Problem ist so groß und so überwältigend, dass wir es vorziehen, uns diesem Problem nicht zu stellen, obwohl wir wissen, dass Verdrängen unser Verhängnis sein wird .

In Sylvia Wynter's 1.  Worten ist das Problem, die Anwort auf die Frage wer wir sind. 
Denn die Antwort, die wir uns selber geben macht uns hilflos.

Mit dieser Präsentation, erhoffe ich mir, die Wurzeln dieses Problems erkennbar zu machen, damit wir gemeinsam einen Weg finden unsere Zukunft zurückzugewinnen. 

Aber am Besten fangen wir mit einer einfachen Frage an: 
Wenn ihr morgen wählen müsstet ein Cyborg oder ein Zombie zu werden, für wen von beiden würdet ihr euch entscheiden? 

Für einige von uns verkörpert der Cyborg einen hoffnungsvollen Weg, sich menschliches Handeln in einer scheinbar unausweichlichen, immer technologischeren Zukunft vorzustellen, in der früher oder später Menschen mit Maschinen verschmelzen werden. Für andere wie Elon Musk, der wohl berühmteste Transhumanist unserer Zeit, ist ein Cyborg zu werden und den Mars zu kolonisieren, die einzige Hoffnung auf menschliches Überleben. Er glaubt an eine Zukunft, in der Künstliche Intelligenz die Singularität auslösen wird. Und diese Intelligenz-Explosion, wie die Singularität manchmal auch genannt wird, droht seiner Meinung nach, uns alle in Haustiere von Maschinen und die Welt in Büroklammern zu verwandeln. 

Wenn ihr mich fragt, klingt das ein bisschen verrückt. Aber auch einer der berühmtesten Köpfe der Wissenschaft, Stephen Hawking, machte sich Sorgen um die Singularität. Und wenn dem so ist, dann könnte eins sicherlich sagen, dass der Cyborg, der unter seiner glänzenden Rüstung, menschliches Bewusstsein mit Informationstechnologie verbindet, zumindest eine Art von hoffnungsvoller Zukunft für die Menschheit darstellt. Wohingegen wir den Zombie gedanklich, meist entweder mit einer rassistischen, kolonialen Vergangenheit, einer hoffnungslosen, kapitalistischen Gegenwart oder einer apokalyptischen Zukunft in Verbindung bringen. Einer Zukunft, in der Biotech uns in Monster verwandeln wird und in der menschliches Überleben eher die Ausnahme erscheint.

Wer also würde sich bei klarem Verstand dazu entscheiden lieber ein Zombie als ein Cyborg zu sein?

Ich zum Beispiel.

Und in der nächsten halben Stunde werde ich erklären, warum ich denke, dass der Cyborg nicht nur von dunklen Mächten vereinnahmt wurde, sondern auch, warum sein oft missverstandener und "umgekehrter", aber trotzdem nahezu identischer Zwilling, der Zombie, eine verlockendere Antwort auf unsere Fragen über uns selbst, unsere Zukunft, unsere Hoffnungen und Ängste darstellt. Denn diese dunklen Mächte träumen von einer Zukunft, die auf white supremacy, "Rassenwissenschaft", Eugenetik und sozialem Darwinismus aufbaut. 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr alle mit verschiedenen Erscheinungsformen unserer Zwillinge in der Popkultur vertraut seid. Deshalb werde ich nur kurz die Philosophien vorstellen, die hinter beiden stehen, um danach über die Ideologie zu sprechen, die beide miteinander verbindet. Im zweiten Teil werde ich dann, mit Hilfe von Sylvia Wynter, die Wurzeln und die Geschichte dieser Ideologie beleuchten, die wir alle unter dem Namen das "Gesetz der Natur" kennen. Und abschließend hoffe ich euch davon zu überzeugen, euch mit dem Zombie statt dem Cyborg zu identifizieren. Denn dieser Zombie wird uns helfen, uns endlich eine hoffnungsvolle, solidarische Zukunft vorzustellen. Eine erstrebenswerte Zukunft, nicht nur für einige sondern für alle Menschen.

Fangen wir mit dem Zombie an. 2.

Die vielleicht älteste Variation des Zombie-Mythos, mit der wir hier, in der westlichen Welt vertraut sind, ist der Ausdruck der Schrecken der kolonialen Sklaverei. Koloniale Grausamkeiten, die so furchtbar und unmenschlich waren, dass versklavte Afrikaner fürchteten, dass selbst der Tod sie nicht von ihnen befreien könnte und sie bis in alle Ewigkeit verdammt wären zu arbeiten und zu leiden.

Heute jedoch sind Zombies, oder die Untoten, weniger für ihre ausbeutbare Arbeitskraft bekannt (obwohl sie es vielleicht sein sollten), als dafür, dass sie 'unbewusste Automaten' sind, geistlose biologische Maschinen, ausgestattet mit einem einzigen, tierischen und unstillbaren Instinkt: 
lebendiges, menschliches Fleisch zu verschlingen.

Wir alle kennen sie aus verschiedenen Filmen und Fernsehserien, in denen sie als eine ansteckende und tödliche Bedrohung dargestellt werden. Eine Bedrohung entmenschlichter Wesen, die ihren ehemaligen Familienmitgliedern im Kampf ums Überleben keine Wahl lassen .
Zombies muss man töten, ohne Gnade, ohne moralische Überlegung. 

Und deshalb mag es manche vielleicht überraschen, dass der Zombie eine lange philosophische Geschichte hat, in der er nicht nach frischen, menschlichen Innereien und Gehirnen lechzt und auch sonst überraschend anders aussieht.

Zum Beispiel so:

Oder so:

Ja, in der Philosophie sehen die Lebenden Toten nicht nur genauso aus wie wir, sie handeln und benehmen sich auch so.

Angefangen hat alles mit René Descartes, der im 17. Jahrhundert lebte und dessen berühmtes Zitat "Ich denke, also bin ich" wahrscheinlich sehr viele von euch kennen. Er lebte während der so genannten wissenschaftlichen Revolution und glaubte, dass nicht menschliche Tiere lediglich Maschinen sind. Automaten, deren Verhalten vollständig durch physikalische Mechanismen erklärt werden können. Doch menschliches Verhalten ließ sich für ihn nicht auf diese Weise erklären. Dafür brauchte es etwas Besonderes, etwas jenseits des Physischen, einen immateriellen Verstand. 

Descartes glaubte, dass, wenn wir alle plötzlich unseren Verstand verlieren, unsere Körper trotzdem weiter funktionieren würden, genauso, wie unsere Herzen weiter schlagen, wir weiter atmen und unsere Nahrung verdauen, während wir schlafen. Dass wir sogar in der Lage sein würden, auf eine gedanken- und verstandslose Art umherzugehen. Aber dass wir, ohne unseren Verstand, nicht das hätten was uns menschlich macht. Descartes war also, ohne Zombies zu meinen, ziemlich nah daran sie zu beschreiben. Er tat es, weil er beweisen wollte, dass Menschen keine einfachen Maschinen sind. 

Doch 200 hundert Jahre später, im 19. Jahrhundert hatte die Aufklärung ihre Spuren hinterlassen und Wissenschaftler begannen davon überzeugt zu sein, dass die Physik alles erklärbar macht. Sie glaubten an eine Welt, die unter Kausalität geschlossen ist, was bedeutet, dass alle physischen Ereignisse auch eine physische Ursache haben. Und so kam es, dass die Neuro-Physiologie mit dem Versuch begann auch menschliches Verhalten zu erklären. Doch es gab ein schwerwiegendes Problem, eines das die Forschung bis heute nicht gelöst, geschweige denn genau definiert hat : Bewusstsein.

Bewusstseinsphänomene sind in physischer Hinsicht nicht nur schwer zu erklären, sondern auch zu messen. Da jedoch der Physikalismus (oder Materialismus) vorgab, dass Bewusstsein nur physische Prozesse beinhalten konnte, sahen sich diese Wissenschaftler gezwungen eine sehr kontraintuitive Schlussfolgerung zu ziehen. Nämlich, dass Bewusstsein, da es nicht physikalisch messbar ist, keinen Einfluss auf die physische Welt haben kann. Der Mensch wurde also zu einer "bewussten Maschine" und sein Bewusstsein zu einem kausal inaktiven Nebenprodukt reduziert. Das Bewusstsein spielte keine Rolle mehr. In anderen Worten, diese für den Physikalismus notwendige Schlussfolgerung nahm dem Menschen seine geistige Macht zur freien Handlungsfähigkeit.

Aber das Ausradieren dieser geistigen Fähigkeit und die damit verbundene Schwierigkeit einen Sinn im Leben zu sehen war nicht die verblüffendste Konsequenz dieser Schlussfolgerung. Sie zog außerdem nach sich, dass es zumindest theoretisch möglich sein sollte, dass physische Organismen existieren könnten, Menschen, genau wie wir, aber eben ohne Bewusstsein.
Diese Schlussfolgerung machte also eine Zombie-Welt möglich! 4. Eine Welt, deren physikalische Prozesse unter Kausalität geschlossen sind und die genau unsere reale Welt kopieren, in der es aber keine bewussten Erfahrungen gibt. Eine Welt, die jeglicher Vernunft und gesundem Menschenverstand widerspricht, in der menschliche Körper, ohne Bewusstsein und subjektives Erleben, trotzdem Regierungen gebildet, Städte gegründet, Brücken gebaut, sowie Flugzeuge und Internet erfunden hätten....kurz gesagt, all die Dinge, die wir auch tun.

Es ist nicht einfach sich so eine Welt vorzustellen.

Aber da diese Zombie Welt 5. ein so kraftvolles Gegenbeispiel ist, das den Physikalismus angreifbar macht, wurden viele Argumente formuliert, um diese Idee zu rechtfertigen. Denn wenn Zombies nicht möglich sind oder zumindest denkbar, dann müssten wir viele wissenschaftliche Erklärungen des menschlichen Verhaltens neu hinterfragen.

Falls euch trotzdem, genau wie mir, eine solche Zombie-Welt immer noch eher absurd als vorstellbar vorkommt, ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass auch heute noch die vorherrschende Theorie des menschlichen Bewusstseins auf Physikalismus basiert.

Womit wir beim Cyborg 6. angekommen wären, und der in letzter Zeit so sehr gehypten Angst vor einer drohenden Singularität.

Wenn der Zombie eine menschliche Maschine ohne Bewusstsein ist, dann ist der Cyborg die Idee, dass das menschliche Bewusstsein mit einer Maschine vereint werden kann. Ich hoffe es wird nun klarer, warum ich die beiden als umgekehrte Zwillinge sehe. Beide werden als Maschine verstanden, eine verlor das Bewusstsein und die andere würde es gerne haben. 

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Als nächstes werde ich skizzieren wie aus dem Verlust von geistiger Macht ein religiös anmutender Fundamentalismus wurde, mit dem Transhumanisten die Technologie als unseren einzigen Retter feiern. Aber erst einmal sollten wir uns ansehen, wovor die Menschheit scheinbar gerettet werden muss: die Singularität. 7.

Die Singularität ist eine Art übernatürliches Wesen, eine Maschine ausgestattet mit einer der menschlichen überlegenen Intelligenz und deren Wahrscheinlichkeit auf der Frage beruht, ob eins glaubt, dass das menschliche Gehirn eine Maschine ist oder nicht. Falls es eine Maschine ist, werden Wissenschaftler früher oder später herausfinden wie sie funktioniert und mit diesem Wissen könnte es möglich werden, tote Materie lebendig werden zu lassen. 

Doch damit die Singularität Wirklichkeit werden kann, müsste sich die Künstliche Intelligenz erst einmal ihrer Selbst bewusst werden. Menschen, die Angst vor der Singularität verbreiten, glauben also, dass die Neurowissenschaft sehr bald nicht nur in der Lage sein wird das Gehirn, sondern auch unser Bewusstsein zu erklären. Sie sind sich sicher, dass wir nur genau verstehen müssen wie unsere neuronalen Prozesse Informationen transportieren und übertragen, um endlich das Geheimnis unseres Bewusstseins zu lüften. Oder in anderen Worten, indem man die rechnerischen an Computer Modelle angelehnten neuronalen Fakten und Funktionen unseres Gehirns betrachtet und misst. Gelingt dies der Wissenschaft, dann könnte das menschliche Gehirn auch mit Hilfe von Computern modelliert werden und sollte ein eigenständiges künstliches Bewusstsein hervorbringen, dass sich daraufhin rasant selbst verbessert und zur Singularität wird.

Aber obwohl die Neurowissenschaften beeindruckende Fortschritte in der kartographischen Darstellung der Vorgänge unseres Gehirns gemacht haben, wird oft dabei etwas übersehen: nämlich, dass unser Gehirn circa 85 Milliarden Neuronen enthält. 8.  Das entspricht fast der geschätzten Sternenzahl der Milchstraße und erscheint zumindest mir, unendlich viel. Vor allem, wenn eins bedenkt, dass Wissenschaftler nicht nur herausfinden müssen, was jedes einzelne dieser Neuronen tut, sondern wie sie alle zusammenwirken. Wir reden von mindestens hundert Billionen Synapsen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Interaktion dieser Neuronen in jedem von uns variieren. 

Selbst wenn wir also kurz davor wären all dieses Wissen zu besitzen, würde das wirklich, ein für alle Mal, erklären, wie aus diesen unfassbar vielen Wechselwirkungen unsere subjektive Erfahrung wird? 

Die Neuro-Wissenschaftlerin Joy Hirsch veranschaulicht das Problem anhand eines Beispiels: 
"Wir verstehen nicht einmal wie das Gehirn Farben erzeugt. Ich weiß nicht, ob deine Wahrnehmung von Blau mit meiner Wahrnehmung von Blau übereinstimmt. Oder nehmt Gerüche, ich weiß nicht, ob eure Wahrnehmung des Geruchs einer Orange mit der meinen übereinstimmt. Das sind die schwierigen Probleme der Neurowissenschaften und der Philosophie, bei denen wir immer noch keine großen Fortschritte gemacht haben."

Worauf das Alles hinausläuft ist, dass wir trotz aller Fortschritte immer noch nicht die leiseste Ahnung haben, wie im Gehirn Bewusstsein entsteht und was genau Qualia ist, oder wie es sich anfühlt ich Selbst zu sein und die Welt gerade jetzt in diesem Moment wahrzunehmen. Qualia ist die Fähigkeit, Sinneseindrücke und ausgelöste Emotionen in Gefühle und Reflexionen umzuwandeln. Ein essentieller Bestandteil des Bewusstseins und doch haben wir immer noch keine Vorstellung davon wie Qualia entsteht. 

Wie ist es also möglich, dass die Singularität als eine solch unmittelbare und tödliche Bedrohung wahrgenommen wird, wenn die Wissenschaft noch immer vor diesem uralten Problem steht? 

Was mich daran persönlich am Meisten irritiert ist, dass die Wissenschaft es scheinbar, wenn ich an die Medienpräsenz der Singularität denke, interessanter findet, aus toter Materie Leben zu erschaffen, als zu versuchen die Klimakatastrophe und die einhergehenden Millionen von menschlichen Todesopfern zu stoppen. 

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Deshalb wird es Zeit über Transhumanismus zu sprechen. 10. 

Viele Menschen, Transhumanisten inklusive, verstehen unter Transhumanismus den Glauben daran, dass das menschliche Selbst und der menschliche Körper durch die Verschmelzung mit Technologie soweit optimierbar ist, dass die Menschlichkeit selbst transzendiert und die Unsterblichkeit erreicht werden kann. Transhumnisten sind davon überzeugt, dass sollte die Singularität real werden bevor wir uns transhumanistischen Zielen ausreichend angenähert haben, die Menschheit völlig unvorbereitet darauf wäre mit ihrer eigenen Schöpfung zu konkurrieren. 

Und um diese Angst, die sie verbreiten wirklich zu verstehen, ist es wichtig ein kleines Wort in diesem letzten Satz besonders hervorzuheben: "konkurrieren".

Denn die Aufklärung brachte uns nicht nur die wissenschaftliche Methode und den Physikalismus, der dem menschlichen Bewußtsein seine freie Wirkungskraft absprach, sondern sie brachte auch Darwins Evolutionstheorie und Malthus-Konzept der natürlichen Ressourcenknappheit hervor. Vereinfacht gesagt, individuelles und kollektives menschliches Leben wurde zum Konkurrenzkampf im berühmtem "Kampf ums Dasein."

Und wenn dieser "Kampf ums Überleben" zu einer Ideologie erhoben wird, was erhält eins dann? Genau, Libertäre. Und die fand ich auch hinter all dem Glanz des transhumanistischen Cyborg-Traums.

Zum Beispiel Max More, der sich selbst als Begründer des modernen Transhumanismus bezeichnet und "das proaktionäre Prinzip" erschuf. Ein Grundsatz, der Verbraucher zu Laborratten macht. Innovation und Unsterblichkeit werden als so wichtig erachtet, dass es keine Regulierungen geben darf, um egal was für ein Produkt sofort auf den Markt zu bringen. Und für den Fall, dass eine Innovation oder zum Beispiel eine unerprobte Medizin, jemanden verletzt oder gar tötet, dann bezahlt man einfach mit dem schon erwirtschafteten Gewinn für diese menschlichen "Schädensfälle."

Ein anderes Beispiel ist Milliardär Peter Thiel, der um alten, reichen Menschen (Männern) zu helfen länger zu leben, angeblich Experimente zur Gewinnung und Transfusion von jungem Blut finanziert . Oder Professor Steve Fuller, der behauptet, dass Menschen, die es ablehnen öffentliche Ressourcen für die Entwicklung von lebensverlängernder Technologie zu verwenden, als Zombies angesehen werden sollten. Und dann provokant anmerkt, dass die attraktivste Art mit Zombies fertig zu werden, schon immer das Töten war. Da aber Völkermord immer noch zumindest politisch umstritten ist und die Demokratie noch nicht ganz abgeschafft, müssten nun Transhumanisten eben irgendwie diese "unterentwickelten" und weniger wertvollen Menschen davon überzeugen "vollkommen lebendig " zu werden.

Es ist nicht nur ein verabscheuungswürdiger sozialer Darwinismus der er sich hier offenbart, sondern die bemerkenswerte Tatsache, dass Transhumanisten, obwohl sie eigentlich absolute Darwinisten sind, trotzdem an einen Sinn des Lebens zu glauben scheinen. Für Fuller scheint "lebendig zu werden" zu bedeuten, sich des Zwecks und Sinns der Menschheit, ihrer Aufgabe und ihres vermeintlichen Endziels bewusst zu werden: das Ziel der Unsterblichkeit.

Und das ist erstaunlich, denn um die Perspektive des Darwinismus einzunehmen sollte die Idee eines Sinns oder eines vorherbestimmten Ziels möglichst vermieden werden. Das ist die Grundidee des darwinistischen Denkens. Der Sinn wurde sozusagen entdeckt, während sich die Dinge entwickelten und die Evolution bestimmte Arten von Routineverhalten auserwählte, weil sie "gut" waren oder anders ausgedrückt einen Vorteil boten im "Kampf ums Dasein". 11.

Diese wissenschaftliche Weltanschauung, die uns auf biologische Maschinen reduziert, hat meiner Meinung nach, in uns allen ein klaffendes Loch zurück gelassen, Transhumanisten inklusive. Denn den Meisten von uns fällt es schwer einen Sinn im Leben zu erkennen, so sehr, dass nun sogar Menschen beginnen, welche den Wettkampf ums Überleben zu ihrem einzigen Sinn erheben, ein übernatürliches Wesen zu erfinden. Etwas um es zu fürchten und anzubeten, damit es endlich das Loch stopft und Sinn schafft.

Ich denke es macht sich hier sichtbar, dass sich die Menschheit schon immer ihre eigene Bedeutung durch eine selbst erzählte Geschichte zugewiesen hat. Es ist eine Geschichte die seit Urzeiten und in unzähliger Variation von übernatürlicher Ordnung handelt, verantwortlich für die Gesetze und Machtstrukturen in unserer Welt.

Das Bedürfnis der Transhumanisten zu beweisen, dass Bewusstsein rein physisch mess- und reproduzierbar ist, erscheint wie der verzweifelte Versuch ein für alle Mal zu beweisen, dass die "bewusste biologische Maschine" des Physikalismus wirklich alles ist, was wir Menschen sind. 
Auch das Tabu des Darwinismus, die Frage warum und wofür sich unser Bewusstsein entwickelte, ein Bewusstsein das uns zu Geschichtenerzählern macht, die ständig nach einem Sinn suchen, offenbart sich hier als der Widerspruch, der er schon immer war. Und die Wissenschaft wird als ein weiteres Glaubenssystem sichtbar, eines mit Kirchen, die einen neuen Gott anbeten, ebenso unaufhaltsam und allmächtig wie all die Anderen, die wir vorher kannten. Nur ist dieser Gott eben dieses Mal ganz ohne falsche Schüchternheit vom Menschen selbst gemacht . 12.

Dennoch, diese Vermischung von Wissenschaft und Religion zeigt sich nicht nur im krassen technologischen Determinismus des Transhumanismus,  sondern auch in uns Allen selbst. Sie zeigt sich in unserer Hilflosigkeit mit der wir zusehen, wie Technologie unsere Rechte, unser Wohlergehen und unsere Privatsphäre auffrisst und auch in unserem Zynismus und unserer Weigerung, uns etwas anderes als eine dystopische Zukunft vorzustellen. 

Denn wenn wir, wirklich nichts Anderes als biologische Maschinen sind die um Ressourcen kämpfen, dann werden wir es nicht schaffen mit den Problemen fertig zu werden, die nicht nur in der Zukunft ungeduldig auf uns warten.

Was bedeutet es also, wenn die hoffnungsvollste Zukunftsvision im öffentlichen Mainstream darin besteht, die Erde zu verlassen um den Mars zu kolonisieren oder unsterblich zu werden und unser Bewusstsein in Maschinen hochzuladen? Wie viele von uns und wer wird diese Träume leben? 13.

Vor ein paar Wochen hörte ich mir ein podcast Interview mit Jordan Peterson an, in dem er behauptet, die Menschen würden ihren Lebenssinn verlieren, würde "wahre" Egalität wirklich durchgesetzt und dass dann alles, was übrig bliebe, Leid und Schmerz wäre.

Leiden. Das ist eine bemerkenswerte Aussage und ich glaube nicht, dass er sich hier auf körperliche Schmerzen bezieht, sondern auf das, was in religiösem Zusammenhang als Leiden der menschlichen Seele bezeichnet wird. Er scheint davon überzeugt zu sein, dass es keinen anderen Sinn und Zweck im Leben geben kann, als den "natürlichen" eigennützigen darwinistischen Kampf.

Diesen Schmerz zu verstehen ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Denn was die Menschheit braucht, ist nicht mehr Kampf, sondern eine überzeugendere, bessere Geschichte.

Eine Geschichte von einer Welt, die jeglicher Vernunft und gesundem Menschenverstand widerspricht, in der menschliche Körper ohne sich bewusst zu sein was sie da tun, trotzdem Regierungen gebildet, Städte gegründet, Brücken gebaut, sowie Flugzeuge und das Internet erfunden haben .... 

Eine Geschichte über eine Zombie-Welt, die endlich aufwacht. 

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Für Sylvia Wynter ist das große Problem vor dem die Menschheit steht, die Herausforderung sich eine neue Wissenschaft vorzustellen, eine "Wissenschaft des Wortes". 14. Eine Herausforderung, die mit der von Kopernikus vergleichbar ist, als er entgegen der hegemonialen christlichen Weltanschauung erklärte, dass sich die Erde bewegt. Denn mit dieser Erkenntnis wurde der gesamte Erlösungsplan der allmächtigen Kirche untergraben. Und die vergleichbare Herausforderung besteht heute darin die Bedeutsamkeit und Macht unserer Geschichten zu erkennen. Denn das wirklich geniale am darwinistischen Denken ist nicht nur, dass es ein mächtiges Werkzeug ist um die Welt zu verstehen, sondern, vielleicht noch wichtiger, dass es die Bedeutung von "gut" gleich mit definiert.  

Wynter erinnert uns daran, dass "gut" und auch "Sinn" einst Worte waren, deren Bedeutung und Wertigkeit von der Kirche festgelegt wurden, unsere Gesellschaften also schon immer von Gesetzen einer halb wissenschaftlichen, halb imaginären, übernatürlichen Ordnung geprägt waren. Und, dass das Verhältnis von Religion und Säkularisierung (und damit auch der Wissenschaft) historisch gesehen und als Geschichte verstanden werden muss. 

Denn wenn wir eine Zukunft wollen, in der die Antwort auf die Frage wer wir sind, alle Menschen mit einschliesst, müssen wir begreifen wie der westliche 'Mann' zum ersten Mal zu einer Überrepräsentation dessen wurde, was es bedeutet Mensch zu sein.

Wir müssen verstehen, wie im mittelalterlichen christlichen Europa Gelehrte den Begriff "Mensch" theologisch definierten und damit die Menschheit zum ersten Mal in "Wahre Christen" und ihr nötiges Gegenüber die "unwahren Anderen," aufteilten. 

Diese Geschichte, wer wir sind, wurde in einem Kampf um Macht bereits zweimal neu erfunden. Das erste Mal fand in der Renaissance statt, als der Humanismus das Licht der Welt erblickte und die Christen aufbrachen, um die Welt zu erforschen und zu kolonisieren. Damals wurde die Kluft zwischen Menschen als Rassenhierarchie, die auf einer angeblichen natürlichen Differenz von Rationalität beruht, neu erfunden. 200 Jahre später machte die Aufklärung mit ihrem Reduktionismus, Darwin und Malthus, dann die zweite Neuerfindung nötig, denn die Kombination von Darwins Evolutionstheorie mit dem Konzept von Malthus' "Natürlicher Ressourcenknappheit," naturalisierte nicht nur die Rassenhierarchie, sondern vergrößerte auch erheblich die Anzahl derer, die als "Andere" angesehen werden konnten, jene, die sich damit auf der weniger wertvolle Seite der Kluft zwischen Menschen befanden. Von da an gehörte zu den Anderen jeder, der nicht dieses Naturgesetz beherrschte. Jeder Mensch, der, egal wie sehr er sich auch bemüht, niemals ein westlicher "Mann" sein würde. Nicht nur alle Menschen mit anderer Hautfarbe, sondern auch weibliche, arme, kranke, behinderte, lesbische, schwule, transsexuelle Menschen. Kurz, alle Nicht-Auserwählten und Andersartigen. 16.

Doch wir Menschen werden weder einzig durch unsere Gene bestimmt, noch sind wir bloße Maschinen. Wir sind, was Wynter "Homo Narrans" nennt, Geschichten erzählende, hybride Wesen.  

Und diese Geschichten, die wir erzählen, bedingen nicht nur unser Verhalten, sondern auch, wie wir Wissenschaft ausüben und die Natur studieren. Es wird Zeit diese Zweideutigkeit unserer gegenwärtigen Situation, die weder religiös noch säkular ist, endlich anzuerkennen. Denn wenn das gegenwärtige Verhältnis zwischen Religion und Säkularität, statt einer historischen Notwendigkeit, eher eine kontingente, historische Entwicklung ist, dann ist sie änderbar.

Eine Zombie-Welt ist also möglich.
Aber genauso wie solch eine Geschichte, wie ein magischer Zauberspruch uns Menschen in Zombies verwandeln kann, kann eine andere Geschichte uns zum Leben erwecken. Zombies, die macht- und hoffnungslos einem übernatürlichen Skript folgen, können aus solch einem Alptraum erwachen und den Zauber eigenmächtig brechen. Alles was sie tun müssen, alles was wir tun müssen,  ist erkennen, dass wer solch einen Zauberspruch zur Wirklichkeit werden lässt, wir selber sind. 

Und wenn wir uns dann endlich als Magier verstehen und die Verantwortung für diese unglaubliche Macht unserer Worte und Geschichten auf uns nehmen, dann bin ich mir sicher, werden auch die Fesseln unserer Phantasie gelöst werden. Wir werden neue Wege finden unsere Probleme zu lösen, zum Beispiel in dem wir lernen zu zuhören, um uns endlich gemeinsam und immer wieder neu vorzustellen, was es wohl bedeutet ein Mensch zu sein.
Ein Mensch so wie wir alle. 

Wir könnten menschlich werden statt transhuman, würden keine neue Kluft erfinden, sondern gemeinsam eine postsäkulare Welt. Ex-Zombies die erforschen was uns alle formt und verbindet.

Denn was uns wirklich so besonders macht und anders als alle anderen Wesen, ist, dass wir Geschichtenerzähler sind, Wort-Magier, die gemeinsam auf dem Fundament ihrer Geschichten die Zukunft erbauen. Der Alptraum wird ein Ende nehmen, wenn wir lernen Menschsein als Praxis zu verstehen.

Wacht auf und seid lebendig!

Danke.

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1. Essential reading list by Sylvia Wynter:

The Re-Enchantment of Humanism: An Interview with Svlvia Wvnter

PROUD FLESH Inter/Views: Sylvia Wynter

Unsettling the Coloniality of Being/Power/Truth/Freedom: Towards the Human, After Man, Its Overrepresentation--An Argument

On How We Mistook the MaE for the Territory, and Re-Ir~prisoned Ourselves in Our Unbearable Wrongness of Being, of Desetre - Black Studies Toward the Human Project

Towards the Sociogenic Principle: Fanon, The Puzzle of Conscious Experience, of “Identity” and What it’s Like to be “Black”

Sylvia Wynter: On Being Human as Praxis edited by Katherine McKittrick

2. Recommend checking out Zombie Theory

by Sarah Juliet Lauro I absolutely loved this book.

3. On the problem of consciousness:
Why can’t the world’s greatest minds solve the mystery of consciousness?

4. Fantastic essay on David Chalmers:
Zombies Must Be Dualists What the existence of zombies would do to our philosophy of mind.

5. Highly recommend the article on Zombies at the Stanford Encyclopedia of Philosophy:
Zombies

6. Examining the symbiosis of the human body and the machine-the cyborg body- in contemporary marketing communications.:
Cyborg Consciousness: A Visual Culture Approach to the Technologised Body


"I can’t believe the blissed-out techno-idiocy of people who talk about downloading human consciousness onto a chip." #posthumanism
When We Have Never Been Human, What Is To Be Done? Interview with Donna Haraway


Donna Haraway, "A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century," in Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature (New York; Routledge, 1991), pp.149-181.


Blog-Post for Cyborgs - On Donna Haraway - McKenzie Wark

7. Recommend reading these four articles together:

The Singularity: A Philosophical Analysis - David J. Chalmers


Intelligent Machines - Moore’s Law Is Dead. Now What?


“The Lebowski Theorem”: No superintelligent AI is going to bother with a task that is harder than hacking its reward function.


The empty brain - Your brain does not process information, retrieve knowledge or store memories. In short: your brain is not a computer

8. An underlying motivation for this paper is to counter the view that artificial evolution will facili- tate the technological singularity, by arguing that the energy costs are likely to be prohibitively high.
"The most complex robot controllers evolved to date have perhaps 100 artificial neurons, somewhat less but of the same order as C. elegans (nematode roundworm), with 302 neurons and ∼ 5000 synapses." To get a sense where we are: human brain around 85 billion neurons.
Estimating the Energy Cost of (Artificial) Evolution - Alan F.T. Winfield

9. Must reads on AI / Singularity fearmongering
Silicon Valley Is Turning Into Its Own Worst Fear - Ted Chiang


The existential paranoia fueling Elon Musk’s fear of AI


An Open Letter To Everyone Tricked Into Fearing Artificial Intelligence - Don't believe the hype about artificial intelligence, or the horror


Blame the Computer - The fake science that keeps threatening to kill us - Corey Pein

10. On Transhumanism:
WHAT IS TRANSHUMANISM? - Nick Bostrom

11. Very interesting interview with Antonio Damasio about his latest book 'The Strange Order of Things: Life, Feeling, and the Making of Cultures' where he talks quite a bit about Darwinism
Antonio Damasio podcast

12. Transhumanism and Religion
God in the machine: my strange journey into transhumanism


Thinking Outside the Old Religious Box - Transhumanism is complicating the sometimes antagonistic relationship between faith and science.

13. Transhumanism and Libertariansim
THE LIBERTARIAN LOGIC OF PETER THIEL


The first men to conquer death will create a new social order – a terrifying one


The strange and conflicting world views of Silicon Valley billionaire Peter Thiel


The Moldbug Variations - Feudalism is the new conservatism - Corey Pein


A couple terrifying articles by Zoltan Ishtvan:
The Growing World of Libertarian Transhumanism - Freedom from the government will allow radical science to go on undisturbed.


QUANTUM ARCHAEOLOGY: THE QUEST TO 3D-BIOPRINT EVERY DEAD PERSON BACK TO LIFE

14.More on Sylvia Wynter and Cesaire "Science of the Word”
Real Human Being - SERYNADA

15.
The Moral of the Story ‘The Storytelling Animal,’ by Jonathan Gottschall

16. A must read on the recent comeback of "race science"
The unwelcome revival of ‘race science’- Its defenders claim to be standing up for uncomfortable truths, but race science is still as bogus as ever. By Gavin Evans

17. Recommend reading Ola Sigurdson on Postsecularity - especially this paper, which is included in 'Zombie Theory - A Reader'
Slavoj Žižek, the Death Drive, and Zombies: A Theological Account